Alte, zerfallende Villen sind beliebt im Horror-Genre, aber während «zerfallend» auf das Gebäude in «His House» zutreffen mag, ist es definitiv kein altes Nobelhaus. Herausstechen tut Remi Weekes grandioser Horrorfilm über Trauma und Schuld aber nicht nur deswegen
Bol (Ṣọpẹ Dìrísù) und Ria Majour (Wunmi Mosaku) sind ein junges Ehehpaar, das vom kriegsgeplagten Südsudan nach England geflüchtet ist. Nach dem anfänglichen Aufenthalt in einer Flüchtlingsunterkunft wird ihnen unter bestimmten Bedingungen vorübergehend Asyl gewährt. Eine davon lautet, dass sie in der ihnen zugewiesenen Unterkunft wohnen müssen. Diese stellt sich als Haus in sehr desolatem Zustand heraus, aber wenigstens haben sie es für sich allein. Die beiden sind guten Mutes, bis Bol die ersten seltsamen Geräusche aus der Wand kommen hört.
Den Geräuschen folgen bald Gesichter im Dunklen, darunter Bol und Sias verstorbene Tochter, die sie bei der Flucht über das Meer verloren haben. Die dunkle Präsenz in His House gibt sich nämlich nicht mit Standard-Grusel zufrieden, Ria und Bol werden mit ihrem Trauma und ihren Schuldgefühlen konfrontiert. Damit gehen beide unterschiedlich um. Ria glaubt an eine übersinnliche Heimsuchung und sucht Zuflucht in den Traditionen ihrer Heimat. Bol hingegen weigert sich die Geister anzuerkennen und will sich um jeden Preis an die neue Umgebung anpassen, selbst wenn er damit Rias Gefühle ignoriert.
Es ist damit vor allem Bol, der von den Geistern verfolgt wird und die sind sehr effektiv. Regisseur und Drehbuchautor Remi Weekes versteht es meisterhaft mit Licht und Schatten zu spielen, nutzt Jump Scares ebenso effektiv wie subtilen Grusel und spielt mit Erwartungen. Der Horror startet hinter den Wänden, sucht bald die dunklen Korridore heim und bringt schliesslich düster verdrehte Visionen aus der Vergangenheit.
Bol und Rias Geschichte verbirgt nämlich mehr als sich zuerst erahnen lässt, was Schritt für Schritt langsam enthüllt wird. Überhaupt ist eine weitere Stärke von His House Weekes feines Erzähltechnik. Anstatt Informationen mit einem Hammer in die Zuschauenden einzuprügeln, setzt er auf kleine Details, die viel aussagen. Genauso wie er die Rückblenden zu Bol und Sias Vergangenheit so geschickt in den Film einbaut, dass sie nie den Fluss der Erzählung unterbrechen.
Dazu kommt eine grandiose Kameraarbeit sowie das fantastische Schauspiel von Ṣọpẹ Dìrísù (Gangs of London) und Wunmi Mosaku (Lovecraft Country). Das alles zusammen macht «His House» definitiv zu einem der stärksten Horrorfilme dieses Jahres. Da hat Netflix mit seinen sonst eher durchschnittlichen Horrorproduktionen für einmal richtig zugegriffen.
Fazit
His House ist eine perfekte Mischung von äusserst effektivem, übernatürlichem Horror und realem Trauma, erzählt mit subtilen Details, fantastischer Cinematographie und starkem Schauspiel. Definitiv sehenswert.
4.5/5 Sterne
His House ist seit dem 30. Oktober 2020 auf Netflix streambar.
His House (2020), Regie: Remi Weekes, UK.
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