Ein dichter, mysteriöser Dampf strömt aus Gullys und Abflassrohren der Stadt Rom im italienischen Film Piove, während gleichzeitig Spannungen in der Bevölkerungen steigen und Gewalttaten immer mehr zunehmen. Mittendrin die Familie Morel, deren eigenen Konflikte bereits seit einiger Zeit unter der Oberfläche brodeln.
Da ist der Vater Thomas (Fabrizio Rongione), der die Familie mit Kleinjobs von Pfleger bis Chauffeure über Wasser hält. Dessen Alltag geprägt ist von den Alarmen auf seinem Natel, die er sich für alle seine verschiedene Jobs gestellt hat. Der sich isoliert von einer Gesellschaft, die er fast nur noch als negativ wahrnimmt.
Eine Eigenschaft, die er mit seinem Sohn Enrico (Francesco Gheghi) teilt, obwohl die beiden kaum mehr miteinander sprechen. Enrico verlässt das Haus jeden Morgen, verbringt seine Zeit aber lieber damit andere Leute zu provizieren, statt zur Schule zu gehen. Orientierungslos testet er wahllos Grenzen aus und sucht halt bei einer Prostituierten.
Die beiden halten jeglich einen Schein von „Normalität“ aufrecht vor Barabara (Aurora Menenti), Thomas junge Tochter und Enricos Schwester. Barbara, die ihm Rollstuhl sitzt, aufgund eines Vorfalls, der irgendwie mit dem Konflikt zwischen Vater und Sohn verbunden scheint.
Bis dazu aber Genaueres kommt, muss erst alles stark eskalieren. Vater und Sohn brüten beide lieber ihre negativen Gefühle, anstatt darüber zu sprechen. „Nun, wir sind halt zwei Männer unter einem Dach“, meint Thomas lediglich zu Barbara, als sie ihn fragt, warum er und Enrico im konstanten Konflikt stehen.
Eine Eskalation, die langsam vor sich geht, während der mysteriöse Dampf sich immer mehr im Leben aller manifestiert, aber dank der intensiven Inszenierung von Paolo Strippoli nie langgezogen wirkt. Stattdessen sehen wir angespannt einem langsam anfahrender Zug zu, dessen kaputtes Endgleis wir sehen, aber den wir nicht anhalten können.
Nur, dass sich sich Strippoli mit seinen drei Kapiteln “Verdunstung,” “Kondensation,” und “Niederschlag” Wasser als Metapher ausgesucht hat für die schwellenden Konflikte in uns, die wir alle nur so lange verdrängen können, bis sie ausbrechen. Was die sorgfältig arangierten, in düsteren Blautönen gehalten Bilder des Films wunderbar unterstützen. Auch Wasser, kann man eben nur so lange zurückhalten, bis es Wege durch die Ritzen findet.
4/5 Sterne
Piove läuft noch einmal am Neuchâtel International Fantastic Film Filmfestival (NIFFF) am 08.07.23 um 11:30.
Piove (engl.: Flowing) (2022), Regie: Paolo Strippoli, Italien/Belgien.
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