Im neusten Aardman Studios Werk «Shaun das Schaf – der Film: Ufo-Alarm» trifft das ideenreiche Schaf Shaun auf ein neugieriges Alien. Am 15. Zurich Film Festival haben wir uns mit den Regisseuren Richard Phelan und Will Becher über die Idee hinter dem Film, die spezielle Stop-Motion Technik und Erzählen ohne Dialog unterhalten.
Im Jahr 2015 hatte Shaun seinen ersten grossen Kinoauftritt in Shaun das Schaf – Der Film. Zuvor hatte das vorlaute Schaf nur in Serienform für Chaos auf dem Bauernhof gesorgt. Shauns zweiter Kinofilm ist nun zugleich der erste Langfilm von Richard Phelan und Will Becher als Regisseure.
Zu Beginn von Shaun das Schaf – der Film: Ufo-Alarm herrscht «Alltag» auf dem Bauernhof: Shaun und seine Schaf-Freunde kommen mit allerlei verrückten Ideen auf (wie etwa einem Kanonenschusswettbewerb), während Hofhund Bitzer verzweifelt versucht, die wilden Schafe im Zaun zu halten. Der Bauer mittlerweile träumt von einem grösseren Traktor. Bis eines Nachts das Alien Lula unfreiwillig auf dem Bauernhof landet. Nun gilt es für Shaun, dem neugierigen Wesen zu helfen wieder nach Hause zu kommen.
Wie man ausgerechnet auf die Idee kommt Shauns Welt mit einem Alien aufzumischen, darüber haben wir unter anderem mit Richard Phelan und Will Becher am 15. Zurich Film Festival diskutiert.
Wie ist die Idee entstanden Schafe mit Aliens zu kombinieren?
Will Becher: Die Idee des ersten Films war Shaun aus der Umgebung des Bauernhofs zu lösen und ihn in die grosse Stadt zu schicken. Nach dem ersten Film hatten wir ein grosses Treffen, um herauszufinden, was wir als Nächstes erzählen könnten. Dort kam die Idee auf, dieses Mal jemanden Fremdes zur Farm zu bringen und daraus entstand dann das Alien. Wir sind alle grosse Science-Fiction Fans, somit sprudelten ab diesem Zeitpunkt die Ideen nur so aus uns heraus. Bauernhöfe sind im Sci-Fi Genre sowieso tief verankert, zum Beispiel mit den Kornkreisen, aber auch als abgelegener Ort seltsamer Vorkommnisse. Nick Park, der Erschaffer der Shaun Fernsehserie, war ebenfalls im Raum und von ihm kam die Idee, den Film «Farmageddon» zu nennen (der engl. Titel des Films, A.d.R.).
Der Schreibprozess besteht aus Diskussionen im Team. Wir versuchen uns gegenseitig zum Lachen zu bringen, springen manchmal wie wild herum und schreiben alles nieder. Das Drehbuch hat keinen Dialog, es besteht aus Anweisungen und Beschreibungen der Absichten der Charaktere. Und dies wird dann im gezeichneten Storyboard interpretiert.
Was erhalten die Sprecher für Anweisungen, damit sie ohne Dialog die richtige Tonlage treffen? Die Tier machen ja nur Geräusche und die Menschen sprechen Nonsens.
Richard Phelan: Wir haben eine Art Drehbuch für die Tonaufnahme, das aus allen Geräuschen besteht, die die Sprecher machen müssen. Wir reden viel mit ihnen über die Charaktere, spielen ihnen teilweise Szenen aus dem Film vor. Zu diesem Zeitpunkt in der Produktion haben wir bereits das sogenannte «Animatic», eine animierte Version des Storyboards. Wir zeigen ihnen also Szenen daraus und beschreiben genau, was der Charakter in dieser Szene durchmacht und denkt. Und dann nehmen wir eine Menge verschiedenster Versionen von einer Szene auf.
Zum Beispiel Justin, der Shaun spielt, wir haben hunderte verschiedener «Mähhs» von ihm. Alle mit verschiedenen Betonungen und genau das Richtige zu finden, kann manchmal sehr schwer sein.
Einen Film ohne Dialog zu planen bringt vermutlich auch sonst spezielle Herausforderungen mit sich?
Richard Phelan: Oh ja (lacht). Das ist einer der Gründe, weswegen der Film so lange in der Entwicklung war. Der Animationsprozess ist sehr aufwendig. Wir müssen also vorher sicherstellen, dass wir genau wissen, was für eine Geschichte wir erzählen wollen. Das Story-Team ist deswegen essenziell, damit der Film am Ende funktioniert. Wir testen die Ideen hinter den Szenen immer und immer wieder, um sicher zu stellen, dass sie ohne Dialog funktionieren. Wir hatten so viele Momente, in denen wir uns gewünscht haben, wir hätten Dinge einfach mit Dialog erklären können.
Will Becher: Definitiv!
Richard Phelan: Und wir mussten auch noch eine Aliensprache entwickeln.
Stimmt, ausgerechnet das Alien ist das einzige, das verständliche Wörter wie «zoom zoom» benutzt.
Will Becher: Es ist das Einzige, das sprechen kann, aber in einer Sprache, die niemand versteht. Daher dachten wir, wir erlauben uns das.
(beide lachen)
Sie haben bereits erwähnt, dass die Arbeit mit Stop-Motion viel Zeit benötigt. Vermutlich bringt es auch für die Regiearbeit spezielle Herausforderungen?
Richard Phelan: Es braucht sehr viel Ausdauer. Gegen Ende der Dreharbeiten, wenn das das volle Animationsteam vor Ort ist, arbeiten wir alle sehr lange jeden Tag. Alle 120 Leute im Team müssen genau wissen was geplant ist, und die Geschichte ändert sich jeden Tag etwas, Ideen und Charaktere entwickeln sich in ungeplante Richtungen, neue Witze entstehen in der letzten Minute.
Will Becher: Wir haben rund 30 Teams gleichzeitig im Studio, das bedeutet 30 Mini-Filmsets, jedes mit einem eigenen Animator. Wir laufen also jeden Tag rund 15 km durch dieses grosse Warenhaus-Filmstudio. Stellen sicher, dass alle Animatoren wissen was als Nächstes kommt und dass die Requisiteure und Kameraleute bereits mit dem Aufbau des nächsten Sets beginnen können, während ein anderes abgebaut wird. Und den Abend verbringen wir damit, die Aufnahmen zu kontrollieren, zu editieren und mit unserem Filmeditor Sim zu diskutieren, ob sie so funktionieren und zu sehen, ob wir den Prozess noch weiter verbessern können.
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Stop-Motion Animation
Eine Filmkamera macht im Prinzip nichts anderes als in sehr schneller Abfolge einzelne Bilder einer Bewegung zu machen und diese am Ende wieder zusammenzufügen. Dadurch entsteht für das Auge eine flüssige Bewegung (wie beim bekannten Daumenkino). Die Stop-Motion Technik nutzt dies, um leblose Figuren zu animieren. Ein Animator verändert die Position einer Figur von Hand für jedes Bild um einige Millimeter und am Ende werden die Bilder für einen flüssigen Ablauf zusammengefügt. Dies macht Stop-Motion zu einem der aufwendigsten Animationsverfahren.[/alert]
Und Sie können nicht einfach im Nachhinein im Computer noch Anpassungen an den Animationen vornehmen.
Richard Phelan: Korrekt, so funktioniert Stop-Motion. Der Animator manipuliert die Figuren von Start bis Ende der Szene durch all die verschiedenen Positionen, in chronologischer Reihenfolge. Da kann man nicht einfach rasch etwas in der Mitte der Szene ändern. Deswegen ist es für uns jeweils auch sehr schwer, wenn wir einen Animator bitten müssen eine Szene nochmal zu drehen. Weil er vermutlich etwa zwei Wochen damit verbracht hat diese spezifische Szene zu animieren. Und jede Performance ist einmalig.
Sie nehmen nachträglich also gar nie irgendwelche digitale Änderungen vor?
Manchmal passe wir das Tempo einer Szene für das komödiantische Timing an. Wir nehmen einige Bildframes heraus, oder fügen welche hinzu.
Sie haben beide an der Shaun das Schaf Fernsehserie mitgearbeitet, die sehr kurze Mini-Episoden hat. Um die Charaktere für einen Langfilm bereit zu machen, mussten vermutlich Änderungen vorgenommen werden?
Richard Phelan: Ich habe als Drehbuchautor an der Serie mitgearbeitet. Normalerweise besteht eine Folge aus einem Szenario, wie zum Beispiel «Der Hund Bitzer will seinen Raum dekorieren.» Dann suchen wir alle möglichen Witze, die uns zum Thema Dekorieren in den Sinn kommen, und verpacken das in sechs Minuten.
Aber um die Charaktere für einen Langfilm bereit zu machen, brauchen sie emotionale Tiefe. Sie sind nicht einfach eindimensionale Schablonen, wie «der Lustige» und «der Ängstliche». Sie haben vielleicht einen schlechten Tag und machen deswegen etwas, dass sie später bereuen, damit kann man sich identifizieren. Und dann versuchen sie ihre schlechte Tat wieder richtigzustellen und die Zuschauer fiebern mit ihnen mit. Je persönlicher wir die Geschichten machen, desto universaler werden sie, weil die Zuschauer sich selbst in den Charakteren wiedererkennen.
Kurzbio Richard Phelan
- studierte an der National Film and Television School in England
- Storyboard-Artist, Drehbuchautor und Regisseur
- arbeitet bei Aardman Animations in Bristol
- u.a. Drehbuchautor von 4 Shaun das Schaf Fernsehfolgen
Kurzbio Will Becher
- studierte Animation am Edinburgh College of Art
- Animator & Regisseur
- arbeitet bei Aardman Animations in Bristol
- u.a. Regisseur von 10 Shaun das Schaf Fernsehfolgen
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