Er ist Schweizer, mit preussischen, österreichischen, polnischen, russischen und slowakischen Wuzeln: Anatole Taubman. Er ist einer der wenigen deutschsprachigen Schauspieler, die es geschafft haben, regelmässig in internationalen Grossproduktionen mitzuwirken. Darin ist er meist als „europäischer“ Bösewicht zu sehen. Nicht anders ist dies in seinem neusten Einsatz, in Claudio Fähs Northmen – A Viking Saga.
In Northmen jagt er als Söldner einer Gruppe von Wikingern nach, die ihrerseits die Tochter des schottischen Königs Dunchaid in ihre Gewalt gebracht haben. Der Film, der am 23. Oktober in Deutschland, Österreich und der Schweiz in die Kinos kommt, feierte am Zurich Film Festival seine Weltpremiere. Blogbusters war vor Ort und konnte unter anderem mit Schauspieler Anatole Taubman über Playmobil-Schlösser, seine Dreharbeiten mit einem Falken, die Chemie zwischen seinem Filmbruder Ed Skrein und ihm, sowie über seine eigenen Inputs für den Film sprechen.
An Wikinger erinnert mich der runde Vorraum im noblen Zürcher Hotel Widder, in dem ich auf mein Interview mit Anatole Taubman warte, nicht gerade. Viel eher an einen Beam-Raum aus einem Sci-Fi Film. Das Interview dreht sich allerdings nicht um ferne Galaxien, sondern um besagte Wikinger, im Abenteuerfilm Northmen – A Viking Saga. Die deutsch-schweizerische Co-Produktion kann mit zahlreichen internationen Stars wie Ryan Kwanten, James Norton, Ed Skrein, Charlie Murphy, Ken Duken oder Anatole Taubman aufwarten. Letzterer spielt darin den Bösewicht Bovarr, den Anführer einer Gruppe von karpatischen Söldnern, die im Auftrag eines schottischen Königs eine Gruppe von Wikingern zur Strecke bringen sollen.
Taubman ist bei unserem Interview allerdings alles andere als grimmig. Als ich den Raum betrete, kommt er mir sofort grüssend entgegen und überreicht mir das offerierte Glas Wasser gleich selbst. Obwohl er mittlerweile einige Rollen in grossen Hollywood-Filmen verbuchen kann, unter anderem als Bösewicht im James Bond Film „A Quantum of Solace“, wirkt er definitiv nicht abgehoben.
Blogbusters: Wie hast du die Rolle in Northmen erhalten?
Anatole Taubman: Die Rolle war eine „straight offer“, das heisst, ich habe sie direkt angeboten bekommen. Das Buch (Drehbuch, Anm. d. Red.) lag schon rund 3 Jahre bei mir auf dem Tisch. Es brauchte allerdings eine Weile, bis der Film finanziert werden konnte.
Blogbusters: Was gab für dich den Ausschlag die Rolle anzunehmen?
Anatole Taubman: Ein Bubentraum! Bereits in der Schule hatte ich eine Affinität für Ritter, Schlösser und Burgen. Meine Schweizer Geschichtslehrer brachten mir damals das Mittelalter nahe. Als Kind erhielt ich zudem ein Playmobil-Schloss als Geburtstagsgeschenk. Als Einzel- und Heimkind spielte ich damit fast nur alleine. Meine ganze Phantasie konzentrierte sich da drauf. Und auch wenn Northmen zeitlich etwas früher spielt, kriegte ich die Gelegenheit auf einem Pferd zu reiten, mit Rüstung und Schwert. Da war für mich gleich klar: Da mache ich mit!
Blogbusters: Reiten konntest du aber schon vorher?
Anatole Taubman: Ja, das habe ich für einen anderen Film gelernt. Das verlernt man aber nicht, wenn man sich einmal wirklich intensiv damit beschäftigt hat. Es ist aber jedes Mal eine neue Herausforderung, weil das Pferd halt immer ein anderes ist. (lacht) Aber ich habe es geliebt wieder reiten zu können, das war unvergesslich wunderschön.
Blogbusters: Aber mit Schwert und Rüstung hattest du noch keine Erfahrungen vor Northmen?
Anatole Taubman: Nein. Die Rüstung war 16 Kilo schwer, das ist schon ein Riesen-Ding. Wir hatten zwei Wochen lang intensive Vorbereitungszeit, jeden Tag 8 bis 9 Stunden. Neu war für mich auch der Falke. Ich habe ja einen Falken namens Morticia im Film. Die Falknerei kennen zu lernen war faszinierend. Es ist immerhin eine der ältesten Sportarten der Welt. Es gibt Nachweise dafür, die gehen bis zu 4000 vor Christus zurück. Wir hatten einen Falkner in Südafrika vor Ort, Hank Chambers. Ich nannte ihn „Raptor Bird Whisperer“. Er besitzt ausserhalb von Kapstadt ein Raubvogel-Schutzzentrum, dort kümmert er sich um verletzte und misshandelte Raubvögel. Die Liebe zum Pferd war schon da, die für den Falken kam während den Dreharbeiten hinzu.
Ebenfalls herausfordernd waren die Schwertkämpfe. So authentisch wie möglich mit solchen Waffen umzugehen, war die grösste Herausforderung für mich. Aber ich habe es geliebt. Es war wirklich ein Bubentraum, wie ich dort unten leben konnte.
Blogbusters: Ed Skrein spielt deinen jüngeren Bruder Hjorr und die Chemie zwischen euch beiden scheint im Film wirklich zu stimmen. Wie war es mit ihm zu drehen?
Anatole Taubman: Das ist super, dass das auf der Leinwand so rüber kommt, das muss ich ihm unbedingt mitteilen. Er ist ja der neue Transporter in Transporter Legacy (er übernimmt darin die Nachfolge von Jason Statham, Anm. d. Red.) und dort spiele ich ebenfalls mit, wenn auch dieses Mal auf der Gegenseite. Er ist wirklich grandios, der Eddie. Mit ihm habe ich mich derart gut verstanden, dass sich während den Dreharbeiten eine tiefe Freundschaft zwischen uns entwickelt hat. Obwohl die Söldner die Wikinger den ganzen Film lang jagen, treffen wir nur zweimal wirklich aufeinander. Etwa 80% meiner Drehzeit stand ich also nur mit Eddie vor der Kamera. Wir haben uns intensiv mit dem Hintergrund unserer Charaktere beschäftigt und dabei ganze Plots entwickelt. Wenn du also ein Prequel (Vorgeschichte, Anm. d. Red.) über die Karpaten möchtest, dann könnte ich dir in zwei Monaten ein Drehbuch dazu liefern.
Blogbusters: In diesem Fall können wir uns auf weitere Northmen-Filme freuen?
Anatole Taubman: Ich habe es Ralph Dietrich (Produzent, Anm. d. Red.) schon gesagt: Bei einem Prequel wären wir sofort wieder mit dabei. Wenn du wissen willst, wie die Karpaten von Karpatien nach Schottland kamen, haben wir dafür eine ganze Menge an Hintergrundgeschichten bereit.
Blogbusters: Heisst das, ihr konntet auch in Northmen Einfluss auf die Gestaltung eurer Rollen nehmen?
Anatole Taubman: Sehr sogar. In einem solchen Independent-Film ist dies eher möglich. Bei einer grossen Hollywood-Produktion hingegen, hat man als Schauspieler nur wenig Einfluss. Bei Northmen haben wir aber von den Produzenten und vom Regisseur freie Hand bekommen. Wir mussten ihnen natürlich schon im Voraus sagen, was wir in etwa planen und es gab gewisse Vorgaben (lacht), aber wir hatten sehr viel Freiheiten. Das war ein Geschenk!
Blogbusters: Der Film wartet mit monumentalen Bildern auf. Waren die Dreharbeiten tatsächlich eher im Stil einer kleineren Produktion? Du kennst ja beide Seiten, Hollywood und Independent.
Anatole Taubman: Das Budget war wie bei einer Independent-Produktion, etwa 10 Millionen Dollar, aber der Anspruch war wie bei einem Hollywood-Film. Das Ziel war ganz klar, dass sich Northmen mit den grossen Filmen messen kann. Die Leute, die hinter der Kamera mitgearbeitet haben waren alles erfahrene und bekannte Personen. Wir waren durch das Budget natürlich schon etwas eingeschränkt, aber die Dreharbeiten wirkten nie wie bei einem „kleinen“ Film.
Ich bin wirklich stolz auf Ralph Dietrich, dass er den Mut hatte, Northmen zu etwa 60 bis 70 Prozent aus der eigenen Tasche zu finanzieren und dabei klar festzulegen, dass er einen Film will, der global mit den „Grossen“ mithalten kann. Diesen Mut kenne ich in der Schweiz so nicht und dafür hat er meine tiefste Bewunderung.
Blogbusters: Das hast du früher auch schon kritisiert, dass in der Schweiz zu wenig Mut vorherrscht bei der Investition in Filme.
Anatole Taubman: Also, das ist meine persönliche Meinung. Ich muss dazu sagen, dass ich mich noch nie im Detail mit der Struktur und den Statuten des Bundesamtes für Kultur (BAK) befasst habe. Aber dass ein Schweizer Film, der versucht für die Schweiz etwas zu leisten mit einer schweizerischen Produktionsfirma, österreichischen Autoren und einem Schweizer Regisseur, dass ein solcher Film kein Geld vom BAK erhält, das ist eine Frechheit. Sie könnten ja eine symbolische Summe geben, 100’000 Franken beispielsweise, es müssen ja nicht gleich drei Millionen sein.
Beim Film Der Kreis, in dem ich ebenfalls mitspiele, war es dasselbe. Das ist eine ganz andere Art von Film, aber er behandelt ein globales Thema. Auch der erhielt keinen Rappen für die Produktion vom Bundesamt für Kultur. Der Film hat aber jetzt schon sieben Preise, unter anderem den Publikumspreis der Berlinale, einheimsen können. Das geht meiner Meinung nach einfach nicht. Dass kein grosses Budget vorhanden ist, ist klar. Aber ich frage mich, warum es dann in einem Land wie Dänemark funktioniert, dass die international anerkannte Filme und Serien hervorbringen können.
Ich muss dazu aber sagen, dass ich Ivo Kummer, den Chef des BAK, als Menschen sehr schätze und ich auf keinen Fall mit ihm tauschen möchte. Aber es würde mich einfach interessieren, warum solche Filme kein Geld erhalten. Gerne auch im Rahmen einer Podiumsdiskussion.
Blogbusters: Ist die Situation in Deutschland besser?
Anatole Taubman: Deutschland ist natürlich viel grösser, es existieren viel mehr Regionalförderungen und Bundesförderungen. Es gibt viel mehr Möglichkeiten einen Film zu finanzieren. In Frankreich sogar noch mehr. Wobei es in der Schweiz eigentlich ebenfalls viele kleine Förderstellen gibt, nur erhält man überall halt nur winzig kleine Beiträge. Dies führt dazu, dass man das Geld dann bei ganz vielen verschiedenen Stellen zusammensuchen muss.
Blogbusters: Das Problem hattet ihr zum Glück bei Northmen nicht. Ihr habt aber fast alles in Südafrika gedreht, weil es dort finanziell attraktiv war. Vorhin hast du erwähnt, dass der Falkner ebenfalls aus Südafrika stammt, wurden viele Leute vor Ort angeheuert?
Anatole Taubman: Auf jeden Fall. Mindestens drei Viertel der Crew waren Südafrikaner, aber alle „Hollywood-erfahren“. Top Leute. Michelle zum Beispiel, die sich um die Pferde gekümmert hat, sie war eine Göttin der Pferde. Die hatte rund 30 ‚Horse-Wranglers’ (oder ‚Cowboys’) unter sich und mehrere Pferdfarmen. Das Production Design Team war ebenfalls absolut professionell. Es wird wahnsinnig viel in Südafrika gedreht, weil es dort erstens günstiger ist und zweitens englischsprachige und gut ausgebildete Crewmitglieder vorhanden sind. Die Miete eines Pferdes in Schottland hätte etwa 300 Schweizer Franken pro Tag gekostet, in Südafrika waren es etwa 20 Schweizer Franken. Aber die Qualität ist dieselbe. Und zum Glück gibt es ja in Südafrika ganze Landstriche, die der schottischen Landschaft gleichen.
Blogbusters: Regisseur Claudio Fäh hat ja ebenfalls Schweizer Wurzeln. Hast du ihn vor dem Film schon gekannt?
Anatole Taubman: Nein, leider nicht. Ich bin froh, dass ich ihn jetzt kennengelernt habe. Ich finde ihn unglaublich talentiert und ein Geschenk für einen Schauspieler, weil er sehr figurenbezogen arbeitet. In der Geschichte von Northmen passiert nicht viel, die Wikinger müssen von A nach B. Trotzdem wird es nie langweilig, weil einem die Figuren immer mehr ans Herz wachsen und man sich mit ihnen identifizieren kann. Und ich finde, das ist nebst dem Drehbuch auch stark Claudio zu verdanken.
Blogbusters: In diesem Fall hast du gerne mit ihm zusammen gearbeitet?
Anatole Taubman: Sehr. Er hatte immer ein offenes Ohr und strebte stets danach die Figuren und die Geschichte zu optimieren. Er lud uns Schauspieler aktiv dazu ein, Ideen einzubringen. Und auch in der Post-Produktion, zum Beispiel dem Umgang mit CGI, ist Claudio herausragend. Das braucht es natürlich, um mit einem kleinen Budget einen Film dieses Ausmasses umzusetzen. Nachdem die Dreharbeiten abgeschlossen waren, ging es ja noch rund ein Jahr, bis Northmen wirklich fertig war.
Blogbusters: Hast du ein konkretes Beispiel für eine Idee, die du selbst in den Film eingebracht hast?
Anatole Taubman: Da gibt es ganz viele. (Er macht eine längere Pause und überlegt). Im Drehbuch stand nicht drin, dass Bovarr und Hjorr eine solch enge Brüderbeziehung haben. Als konkretes Beispiel kann ich die Szene am Lagerfeuer mit Bovarr und Hjorr nennen. Wir hatten das Gefühl, es braucht noch eine Szene, in der die Söldner alleine zu sehen sind, um ihnen mehr Persönlichkeit zu verleihen.
Northmen war wirklich eine meiner fantastischsten Filmreisen, er gehört zur persönlichen Top 3 meiner Filme.
Blogbusters: Was sind deine anderen zwei Top-Filme?
Anatole Taubman: Marmorera und Die Säulen der Erde. Das waren die drei, bei denen ich wirklich eingetaucht bin. Vor allem, weil ich in allen dreien spannende Figuren spielen konnte.
Blogbusters: Wie hat deine Recherche für den Film ausgesehen? Hast du dich für Northmen auch mit den historischen Hintergründen des Films befasst?
Anatole Taubman: Auf jeden Fall. Northmen hat ja klare historische Bezüge. Es gab wirklich Wikinger-Schiffe, die vor der schottischen Küste gestrandet sind. Es gab Wikinger, die deswegen hinter der feindlichen Linie schnellstmöglich wieder ein neues Boot entern mussten. Es gab schottische Clanlords, die karpatische Söldner anheuerten, um gegen die Pikten zu kämpfen. Wir haben sehr viel über die Karpaten gelesen, Eddi und ich sind komplett in diese Welt eingetaucht. Meine Hotelzimmer-Wand war voller Karteikarten, Zeichnungen und Malereien.
Bei diesen Worten kommt Anatole Taubman, wie häufig während des Interviews, deutlich ins Schwärmen. Ganz offensichtlich ist er begeistert von Northmen. Zum Abschluss frage ich ihn deswegen, wem er Northmen empfehlen würde. Die Antwort kommt wie aus der Armbrust geschossen: „ Allen von 16 – 30 Jahren, weil er einfach Top-Unterhaltung ist.“ Und alle Schweizer natürlich, fügt er hinzu, die sollen sich die Wikinger-Saga nur schon deswegen ansehen, weil es bisher noch keinen Film in dieser Grösse und in englischer Sprache gab, der von Schweizern auf die Beine gestellt wurde. Unter 16-jährigen würde er Northmen allerdings nicht empfehlen, auch wenn er letzthin von einer 7-jährigen hörte, dass sie sich „Herr der Ringe“ angesehen hat. Lachend gesteht er ein, dass er sich mit sieben Jahren bei „Herr der Ringe“ wohl ziemlich in die Hosen gemacht hätte vor Angst. Gut also, dass er seine Ritterfantasien damals stattdessen mit seiner Playmobil-Burg ausleben konnte. Auch gut, dass er diese Begeisterung nun in Northmen ausgelebt hat und den Wikingern damit einen ebenbürtigen Gegner bietet.
Anatole Taubman Mini-Bio und Trivia
- 1970 in der Schweiz geboren, lebt er mittlerweile in Berlin.
- Er besuchte das Gymnasium in der Schweiz und ging anschliessend nach New York an die renommierte Schauspielschule Circle in the Square.
- Er spricht fliessend Deutsch, Französisch, Englisch und Italienisch.
- In bereits über 50 Fernseh- und Kinofilmen spielte er in Haupt- und Nebenrollen mit, unter Anderem in Taken (2008), Captain America: The First Avenger (2011), dem James Bond Film Quantum Of Solace (2008), Inside Wikileaks (2013) oder dem aktuellen Schweizer Oscarkanditatenfilm Der Kreis (2014).
- 2008 gewann er den Prix Walo für den besten Schauspieler.
- Ab dem 15. März 2015 ist Anatole Taubmann als Stanislav Turgin in Transporter: Legacy, dem 4. Teil der Transporter-Franchise, zu sehen. Darin ist er nach Northmen – A Viking Saga erneut mit Ed Skrein gemeinsam auf der Leinwand zu sehen.
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