Jin-ah (Gong Seung-Yeon) lebt äusserst zurückgezogen, am meisten sozialen Kontakt hat sie während ihrer Arbeitszeit mit den Anrufer*innen im Callcenter. Ihre Freizeit verbringt sie vor dem Fernseher, die Mittagspause vor dem Smartphone. Selbst ihren gesprächigen Nachbarn ignoriert sie konsequent. Bis zwei Dinge passieren: Ihr Nachbar verstirbt unerwarteterweise und auf der Arbeit bekommt sie eine junge Mitarbeiterin zur Ausbildung zugeteilt. Langsam beginnt Jin-ah Fassade von der einsamen Wölfin zu bröckeln.
Mit viel Feingfühl und Präzision
Regisseurin und Drehbuchautorin Sung-eun Hong fokussiert ihren Film ganz auf Jin-ahs Perspektive, nicht nur mit dem Verlauf der Erzählung, sondern auch mit der Kameraarbeit: Genauso wie Jin-ah ihre Umwelt mehrheitlich ausblendet, genauso eng sind die Kameraeinstellungen. Erst als Jin-ah beginnt ihr Umfeld mehr wahrzunehmen, werden auch die Filmbilder weiter und zeigen uns mehr von Jin-ahs Umgebung.
Überhaupt ist «Aloners» äusserst sorgfältig und mit viel Feingefühl aufgebaut. Jin-ah wacht nicht plötzlich mit dem Entschluss auf ihr Leben auf den Kopf zu stellen, es sind kleine Details, die sie Schritt für Schritt ihre Einstellung hinterfragen lassen. So rückt der Tod des Nachbarn die Vergänglichkeit in ihr Blickfeld und die Veränderungen an ihrem Arbeitsplatz zwingen sie aus der Schale ihrer gewohnten Routine.
Eine fantastische Hauptdarstellerin und ein Touch Mystery
Dabei ist Regisseurin Hong nie moralisierend oder bemitleidend gegenüber ihrer Hauptfigur, «Aloners» ist kein trauriges Tränendrüsen-Drama, stattdessen gelingt es Hong eine fast schon traumähnliche Mystery-Stimmung zu generieren, die wunderbar zu Jin-ahs distanzierter Art und Weise wie eine Schlafwandlerin durch ihr Leben zu gehen passt. Da fügt sich auch ein kleines übernatürliches Element bestens dazu.
Und mittendrin glänzt Gong Seung-Yeon in der Hautprolle. Jin-ah spricht nicht viel, aber Gong Seung-Yeon braucht keine Worte, um Jin-ahs Distanziertheit und schliesslich auch innere Einsamkeit auf die Leinwand zu bringen. Bis Jin-ah sich selbst eingestehen kann, dass sie sich durchaus etwas mehr Verbindung zu anderen Menschen wünscht, braucht es aber eine Weile.
Fazit
Aloners ist ein äusserst starkes, feinfühliges und sorgfältig aufgebautes Drama mit einem Touch Mystery über die soziale Selbstisolation einer jungen Frau.
Aloners läuft am 30.09.2021 noch einmal am Zurich Film Festival.
Aloners (2021), Regie: Sung-eun Hong, Südkorea.
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