Thriller? Komödie? Drama? Kill Your Friends ist gleich alle drei Genres und wirft dabei einen zynischen Blick auf die britische Musikindustrie der 90er Jahre. Regisseur Owen Harris hat mit uns am 11. Zurich Film Festival über karrieregeile Musikagenten, den schmalen Grad von schwarzem Humor und Brit-Pop gesprochen.
In Kill Your Friends soll Stelfox (gespielt von Nicholas Hoult), der als A&R-Manager arbeitet, die nächsten grossen Hitbands für ein grosses britisches Musiklabel aufspüren. Doch die Konkurrenz im Business ist knallhart und Stelfox will auf jeden Fall ganz nach oben, auch wenn er dazu wortwörtlich über Leichen gehen muss. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von John Niven.
Mit seinem dunklem Humor ist Kill Your Friends zwar nicht für jeden etwas, aber für Liebhaber von genau jenen Humors ein Muss. Dass es sich bei seinem Film um keine Feel-Good-Komödie handelt, ist sich Regisseur Owen Harris sehr wohl bewusst:
„Es ist kein Film über nette Leute, sondern über das schwarze Herz der Musikindustrie.“
Ich habe das Glück das erste Interview des Tages zu erwischen und als ich den Raum im Zürcher Nobelhotel Dolder betrete, wirkt Owen Harris auch noch voller Energie. Dass er mit Leidenschaft hinter seinem Film steht, merkt man im Verlaufe des Interviews nicht nur daran, dass er ohne zu Zögern sehr ausführlich auf alle Fragen antwortet.
Warum haben Sie sich entschieden, einen Film über dieses Buch zu machen?
Owen Harris: Die Musik- und Clubszene der späten 90er Jahre war Teil meines Aufwachsens. Brit-Pop feierte zu dieser Zeit seinen Höhepunkt. Das Buch hat eine sehr dunkle und zynische, aber zugleich sehr authentische Stimme über diese sehr arrogante Zeit in der britischen Popgeschichte.
Ich wusste, der Film würde nicht allen gefallen mit seinem sehr dunklen Humor. Ich habe aber erst realisiert, wie dunkel er wirklich ist, als ich ihn zum ersten Mal mit Zuschauern gesehen habe. Wenn man Humor mit etwas kombiniert, das im Herzen so dunkel ist, kreiert dies eine seltsame Umgebung. Die Leute wissen nicht, ob sie lachen oder sich abgestossen fühlen sollen. Der Film versucht aber nie den Zuschauer zu verführen, die Sprache ist sehr juvenil. Manche Leute vergleichen den Film mit American Psycho (2000), aber dieser hat eine viel intellektuellere Perspektive. Kill Your Friends ist im Gegensatz dazu viel “primitiver”.
Gibt es Elemente aus dem Buch, die Sie für den Film speziell beeinflusst haben?
Owen Harris: Das Buch ist aus der Ich-Perspektive geschrieben, im Film geht das natürlich nicht. Also wollte ich, dass der Film selber die Attitüde von Stelfox übernimmt: Überheblich, clever, selbstbewusst, stylish, aber mit einem tiefschwarzen Herz. So spielen zum Beispiel nur sehr sehr wenige Szenen am Tag, die meisten finden in der Nacht oder in düsteren Clubs statt. Ich wollte den Charakter von Stelfox im Look & Feel des Films verkörpern
Der Soundtrack ist gefüllt mit Brit-Pop Klassikern, wie haben sie diese ausgewählt?
Owen Harris: Das war eine grosse Herausforderung. Am Anfang wollte ich eigentlich auf keinen Fall ein Best-Of der 90er Jahre. Aber im Buch hat es eine sehr markante Szene, in der Stelfox Radioheads “Karma Police” hört. Als wir diese im Film umgesetzt haben, realisierte ich, dass die Musik in dieser Szene auf eine ironische Art verwendet wird. Da habe ich begriffen, dass wir Best-Of-Hits nehmen und diese ironisch in den Film einbauen können. Zum Beispiel „Smack My B*tch Up“ von The Prodigy als Stelfox seinen ersten Mord begeht.
Offensichtlich haben Sie eine gewisse Verbindung zur britischen Musik dieser Zeit. Haben sie eventuell sogar Erfahrung in der Musikindustrie gesammelt?
Owen Harris: Nein, aber ich war einmal mit einem Kollegen im Urlaub, der jetzt Chef eines grossen Musiklabels ist. Damals war er aber noch ein A&R Typ (Artists & Repertoire, wie Stelfox im Film, A.d.R.). Ich empfahl ihm das Buch und er sagte: “Es ist grossartig, aber bitte lass meine Frau dieses Buch nie lesen.“ Das Buch zeichnet ein sehr dunkles Bild der Musikindustrie, besonders von Männern in der Musikindustrie und ist vermutlich zu einem grossen Teil nicht ganz unwahr. Ich will damit nicht sagen, dass jeder Mann in der Musikindustrie so ist, aber es ist eine sehr Testosteron getriebene Industrie. John Niven, der Autor des Buchs, hat mir einmal gesagt: “Das passiert in einer Kultur, in der Ambition wichtiger wird als Talent.” und er war auch ein A&R Typ. In der Musikindustrie erkennt man die Kollision von zwei Welten: Eine, die nur Geld machen will, und eine andere, die eigentlich nur Kunst machen will. Das ergibt diese wirklich polarisierende Kultur.
Wie sind Sie auf Nicholas Hoult als kaltblütigen Psychopathen gekommen?
Owen Harris: Er hat die bösartige Hinterlistigkeit von Stelfox sofort hingekriegt. Zu Beginn des Projekts wollte ich eigentlich einen älteren Stelfox, damit die Leute sich besser identifizieren können mit seinem Streben. Aber als ich mit John Niven darüber gesprochen habe, sagte er: “Nein, das Verrückte an der Sache ist eben genau, dass das in der Regel junge Mid-20-er sind. Ihr Streben ist kein verzweifelter letzter Versuch, es noch nach oben zu schaffen. Es ist ein von Testosteron und Arroganz getriebenes Streben, eine Art Killerinstinkt.”
John Niven hat auch ja auch das Drehbuch zum Film verfasst.
Owen Harris: Korrekt, für mich war es sehr wichtig, dass er auch im Film involviert ist. Wen man ein Buch mit einer solch starken Autorenstimme verfilmt, will man dieser auch gerecht werden. Er war sehr involviert, wir haben bis in die Nachbearbeitung des Films hinein noch Teile des Drehbuchs angepasst.
Ihr letztes Projekt war Game Changer (2015), das sich mit der Zensur von Video Games beschäftigt und in Holy Flying Circus (2011) haben sie sich ebenfalls mit Zensur – jener von von Kunst – beschäftigt. Liegt Ihnen dieses Thema besonders am Herzen?
Owen Harris: Als Regisseur fühle ich mich von herausfordernden Projekte angezogen, von Geschichten die unkonventionell sind. Mich interessieren Geschichten, die sich um eine bestimmte Idee drehen, die einen konkreten Punkt hinüberbringen wollen.
Aber zum Thema Kunstfreiheit: John Niven schreibt zum Beispiel komplett ohne persönlichen Filter, manchmal vielleicht sogar mit zu weniger Filter. (lacht)
Blogbusters: Kill Your Friends enthält auch als Film sehr grafische Szenen. Glauben Sie es gibt eine Grenze, was Kunst darstellen darf?
Owen Harris: (lacht) Ich habe schon viel Schlimmeres gesehen. Ich wollte sehen, wie düster man gehen kann, wenn man es mit Humor wieder aufhellt.
Aber lustigerweise habe ich festgestellt, dass der Humor in Kill Your Friends den Film nicht aufhellt, sondern düsterer macht. Wenn man den Charakter ernsthafter darstellen würde, wäre der Film ein einfacher Thriller. Aber gerade weil wir auch Humor erlauben, macht dies das ganze irgendwie noch dreckiger. Es ist kein Film über nette Leute, sondern über das schwarze Herz der Musikindustrie.
Was ist Ihr nächste Projekt?
Owen Harris: Ich habe gerade Game Changer (2015) abgeschlossen und damit zwei Spielfilme hintereinander in einem Jahr gemacht. Erstmal mache ich also eine Pause. Da ich bisher aber immer bei Projekten mit einer starken Autorenstimme mitgearbeitet habe, würde ich als nächste gerne meine eigene Stimme stärker einbringen kann. Mal schauen, in wieviel Schwierigkeiten ich mich damit begebe. (lacht)
Bonusfrage: Ihre Lieblings-Brit-Pop-Band?
Owen Harris: Jetzt darf ich ja nichts Falsche sagen, sonst verachten mich alle. (lacht) Am ehesten Radiohead.
Beim Abschied fragt er nach kurzem Zögern, ob mir der Film wirklich so gut gefallen hat, wie ich es ihm zu Beginn des Interviews gesagt habe. Ich bejahe und beginne aufzuzählen, was mir daran besonders gefallen hat. Daraufhin bedankte er sich erfreut und meint: „Viele sagen das halt nur so aus Höflichkeit, deswegen weiss ich manchmal nicht so recht, ob ich es glauben soll.“
Kill Your Friends ist ab dem 10. März 2016 in der Schweiz und ab dem 18. März auch in Deutschland und Österreich auf DVD und Blu-Ray erhältlich.
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