Im Gespräch mit dem Northmen Regisseur Claudio Fäh über die Herausforderung mit einem kleinen Budget zu arbeiten, die Eigenschaften eines „historischen“ Filmes und die Zusammenarbeit mit Amon Amarth Frontsänger Johan Hegg.
In einem Sitzungsraum des Filmverleihers Ascot Elite warte ich auf den Schweizer Regisseur Claudio Fäh für das Interview über seinen neuen Film: Northmen – A Viking Saga. Im Abenteuerfilm geht es um eine Gruppe Wikinger, die in Seenot gerät, strandet und sich anschliessend durch feindliches Gebiet zum nächsten Schiff durchschlagen muss. Dabei nehmen sie unterwegs eine schottische Prinzessin als Geisel und werden fortan von den Söldnern des Schottenkönigs gejagt.
Als Claudio Fäh eintrifft, bespricht er erst noch mit den Leuten von Ascot die letzten Details für die Weltpremiere von Northmen. Dabei hört man bereits heraus, dass er sich voll für seinen Film einsetzt. Ein Eindruck der sich verstärkt, während er offen, sympathisch und gut gelaunt meine Fragen beantwortet.
Was hat für dich den Ausschlag gegeben, bei Northmen Regie zu führen?
Claudio Fäh: Das ist relativ einfach: Ralph (Produzent von Northmen, Anm. d. Red.) hat mich vor etwa vier Jahren am American Filmmarket gefragt, ob ich einen Wikingerfilm machen wolle.
Das hat schon gereicht, um dich zu überzeugen?
Claudio Fäh: (lacht) Ja, das hat schon ausgereicht. Und als die erste Version des Drehbuchs von Matthias und Bastian gekommen ist, war gleich klar, dass der Stoff sehr interessant ist. Dieses Filmgenre hat mich schon lange gereizt. Während der Entstehung des Filmes habe ich immer mehr gemerkt, dass es ein wirkliches Traumprojekt für mich ist. Einmal auf entlegenen Locations und in der wilden Landschaft zu drehen, mit 25 Pferden und Rittern und Schwertern; das ist wie ein Bubentraum.
Das hat Anatole (Taubman) ebenfalls gesagt.
Claudio Fäh: Das war für alle Schauspieler so, viele haben gesagt: „Das wollte ich schon lange einmal machen.“ Wenn man solche Filme machen kann, ist das immer ein Glücksgriff. Wenn es sozusagen zurück in die Kindheit geht und man sich in relativ entlegene Welten hineindenken kann.
Du hattest aber vor Northmen keine Erfahrung mit einem Film in diesem Stil?
Claudio Fäh: Nein, das war mein erster historischer Film, also wenn man ihn historisch nennen kann.
War dies eine spezielle Herausforderung?
Claudio Fäh: Ja, schon. Es braucht mehr Design. Man kann nichts genau so übernehmen, wie es momentan existiert in der Welt. Man muss die heutige Zivilisation aus seinem Bild verbannen. Das bedeutet halt auch, dass gewisse Outfits neu kreiert und designt werden müssen. Bei Kostüm, Maske und Figurengestaltung ist so etwas schon ein grösserer Aufwand.
Ihr hattet aber für diesen Aufwand ein verhältnissmassig kleines Budget. Was war dabei die grösste Herausforderung für dich?
Claudio Fäh: Die Logistik war die grösste Herausforderung, weil es so viele bewegliche Teile gab, die organisiert werden mussten. Die grösste Herausforderung als Regisseur war, dass man aufgrund dieser relativ komplizierten Logistik nicht den Fokus verliert auf das, was man eigentlich erzählen will. Am Ende nützen die grössten Schlachten, die besten Stunts und die tollsten Special Effects nichts, wenn sie nicht in einer nachvollziehbaren Story mit Emotionen eingebettet sind.
War es schwierig in Südafrika, wo ihr ja mehrheitlich gedreht habt, geeignete Drehorte zu finden, die der schottischen Landschaft gleichen? Musstet ihr viel im Nachhinein mit Bearbeitung und Schnitt tricksen?
Claudio Fäh: Ja und nein. Es war erstaunlich einfach gute Drehorte zu finden, aber die kamen mit einem gewissen Preis. An einem Ort konnten wir vielleicht die Klippen verwenden, für die Schlacht selbst brauchten wir aber wieder eine andere Gegend. Deswegen mussten wir oft hin- und herfahren. Dann zu organisieren, wie man ständig alles von A nach B transportiert und wo man am Besten die Basecamps aufbaut, dieser Aufwand ist nicht zu unterschätzen.
Dazu bedeutet eine zweistündige Anfahrt an einen Drehort auch immer, dass wir zwei Stunden weniger drehen können an diesem Tag. Nicht nur wegen des Lichts, sondern auch wegen den beschränkten Arbeitszeiten. Das sind nach Gesetz etwa 12 Stunden pro Tag, danach muss man Überstunden bezahlen und dann wird das Ganze viel zu teuer. Deswegen war die Logistik wirklich eine der grössten Herausforderungen. Es gibt im Film zum Beispiel auch die beiden Locations beim Wasserfall und die unterirdischen Höhlen, die waren etwa fünf bis sechs Stunden weit entfernt.
Wieviel habt ihr dann tatsächlich vor Ort in echten Landschaften gedreht?
Claudio Fäh: Praktisch alle Filmlocations sind echt und wir sind immer mit dem ganzen Team hingefahren. Auch wenn es auf einer Bergspitze war, sind wir alle da hoch. Physisch ging dies teilweise wirklich ans Eingemachte, aber eigentlich war es ja das, was ich mir immer gewünscht habe! (lacht) Wenn man allerdings frierend mit mehreren Kleiderschichten und schweren Gummistiefeln irgendwo in der Pampa draussen sitzt und der Regen einem in das Gesicht peitscht, dann denkt man natürlich schon ab und zu an die warme Stube. Aber das Ganze hat am Ende wahnsinnig viel zum Film beigetragen und half den Schauspielern, sich wirklich in diese wilde Natur hinein zu versetzten.
Beim Wetter musstet ihr also nicht viel planen oder Nachbearbeitung vornehmen?
Claudio Fäh: Beim Wetter hatten wir wirklich Glück, weil es echt beschissen war. (lacht laut) Und das hat ja gepasst, weil die Wikinger im Film auch gegen die Naturgewalten ankämpfen und die hatten wir tatsächlich. Eigentlich stellt man sich das Wetter in Südafrika relativ mild vor, aber der Winter kann dort sehr harsch werden.
Nur die Eröffnungsszene auf dem Schiff, die haben wir natürlich am Computer kreiert, das ist alles im Trockenen entstanden. Wir hatte dafür grosse Wassertanks und –kanonen, mit denen wir zwei Tonnen Wasser auf einmal in das Schiff hineinspülen konnten. Am Ende sind alle Schauspieler begeistert zu mir gekommen und haben gesagt: Das hätte ja gar nicht mehr viel mit Schauspiel zu tun, da müsse man wirklich nur noch schauen, dass man nicht vom Schiff heruntergespült wird. (lacht)
Und trotzdem haben die Darsteller offenbar gerne mit dir zusammengearbeitet. Anatole Taubman hat unter anderem erwähnt, dass du sehr offen warst für die Ideen der Schauspieler. Ist dies für dich wichtig?
Claudio Fäh: Ja. Das hat damit zu tun, dass ein solcher Film nur funktioniert, wenn die Figuren ein Gesicht erhalten. Die Wikinger sehen sich äusserlich teilweise mit ihren Bärten ziemlich ähnlich, es besteht also Verwechslungsgefahr. Deswegen hat der Film, glaube ich, ziemlich davon profitiert, dass ich den Schauspielern zu Beginn gesagt habe: „Ihr spielt nicht diesen Charakter, ihr seit dieser Charakter. Wenn ihr dabei auf Inkonsistenzen stösst in einer Szene, dann erwarte ich, dass ihr mir dies mitteilt.“. Ich habe ihnen also viel Verantwortung übertragen, was ihre eigenen Figuren anbelangt. Das hat auch bedeutet, dass es deswegen zwischendurch zu Verzögerungen und ungeplanten Unterbrüchen kam. Und gerade der Produzent und der Regieassistent wollten das Ganze relativ schnell drehen, weil halt jeder Drehtag kostet. Dann musste ich manchmal bremsend eingreifen und sagen: “Moment mal. Wir drehen das jetzt nicht einfach, weil wir es können, sondern erst wenn es auch wirklich gut ist.“. Am Ende gab es eine sehr gute Verbrüderung unter den Schauspielern und ich habe das Gefühl auch zwischen mir und den Schauspielern. Sie haben sich wirklich komplett hergegeben für den Film.
Mit im Wikinger-Team war auch Johan Hegg, der eigentlich kein Schauspieler ist, sondern der Frontsänger der Metal-Band Amon Amarth. Wie war es mit ihm zu arbeiten?
Claudio Fäh: Johan Hegg war ein Geschenk und ich wünschte, wir hätten ihn noch länger im Film behalten können. Da er aber gleichzeitig mit Amon Amarth auf Tour war, hat es leider nur für einen Cameo gereicht. Johan hat mir zu Beginn anvertraut, dass er etwas nervös sei, weil er keine Schauspielerfahrung habe. Aber ich habe ihm gesagt, er müsse sich keine Sorgen machen, weil er in seiner Rolle als Sänger von Amon Amarth am Ende auch ein Performer ist. Er hat ja eine gewisse „Stage Persona“, die er verkörpert. Ich habe ihm vorgeschlagen, er solle diese einfach mitbringen. Während dem einwöchigen Vorbereitungs-Bootcamp war Johan auch dabei und da wurde relativ schnell klar, dass es ihm wohl war in seiner Rolle. Er ist ein ganz sympathischer, wirklich feiner Typ. Ganz im Gegenteil zum dem, was er auf der Bühne verkörpert (lacht). Wir waren alle traurig, als er gehen musste.
Wenn ihr schon mit Johan Hegg zusammen gearbeitet habt, warum habt ihr nicht mehr Metal in die Filmmusik von Northmen eingearbeitet?
Claudio Fäh: Zu Beginn wollten wir das eigentlich machen. Wir haben es probiert, aber es hat nicht wirklich funktioniert. Versteckt hört man es an der einen oder anderen Stelle im Film noch in Form von Gitarrenriffs. Wir haben uns allerdings ziemlich schnell entschieden mit einem thematischen klassischen Score à la Jerry Goldsmith zu arbeiten. Mit einem Score also, der auch die notwendige Emotionalität zulässt. Das hat dem Film ein rundes Ganzes gegeben. Mit zu viel Metal hätte die Gefahr bestanden, dass die Filmmusik wie ein Fremdkörper gewirkt hätte. Aber ich finde der Geist von Amon Amarth ist trotzdem im Filmscore drin und auch einzelne ihrer Themen und Harmonieabfolgen sind nach wie vor drin. Und im Abspann ist natürlich ihr Song „Warriors of the North“ zu hören.
Gab es Filme, die dich für deine Arbeit zu Northmen inspiriert haben?
Claudio Fäh: Ich habe zuerst eine Menge historische Filme angeschaut, fand dort aber nicht wirklich die richtige Inspiration. Während der Dreharbeiten habe ich dann gemerkt, dass ich den Film eigentlich eher an die Spagetti-Western von Sergio Leone angelehnt habe. Und eine gute Dosis Indiana Jones findet sich auch im Film.
Zum Abschluss frage ich Claudio Fäh, ob ich ein Foto von ihm für das Interview machen darf und er willigt sofort ein. Dass er dabei direkt vor einem Twilight-Plakat sitzt, fällt ihm nicht auf. Für einen Moment bin ich versucht, den Regisseur der Wikinger-Horde vor dem romantischen Glitzervampir zu fotografieren, brachte es dann aber doch nicht über’s Herz. Darauf aufmerksam gemacht, springt er dann auch sofort lachend auf und stellt sich stattdessen lieber im Gang zum Standee (Pappständer) seiner Wikinger. Dass ihm dabei Ryan Kwanten als Kampfmönch mit seiner Lanze in den Rücken piekst, stört den Schweizer Regisseur, der mit offensichtlicher Leidenschaft hinter seinem Film steht, nicht im Geringsten.
Claudio Fäh Mini-Bio
- Claudio Fäh ist 1975 in der Schweiz geboren, seit 1999 lebt er in Los Angeles.
- Er hat Germanistik an der Universität Zürich studiert, bevor er Filmregisseur und Produzent wurde.
- Ebenfalls tätig ist er im Bereich Visual Effects.
- Seine bisher grössten Langfilme waren Coronado (2003), Hollow Man II (2006) und Sniper: Reloaded (2011).
- Vor seinen Spielfilmen, führte er Regie bei diversen Kurzfilmen, mit denen er bereits verschiedene Awards gewonnen hat.
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