
«Die Geister der Vergangenheit, die ich rief», steht gewöhnlich für ein negatives Erlebnis, in «Petite Maman» tritt ein kleines Mädchen aber in Kontakt der Vergangenheit, um sich im positiven Sinn mit der Gegenwart auseinander zu setzten.
Die 8-jährige Nelly (Joséphine Sanz) fährt zusammen mit ihren Eltern zum Kindheitshaus ihrer Mutter Marion, um es nach dem Tod der geliebten Grossmutter auszuräumen. Dort angekommen erkundet Nelly neugierig das Haus und löchert ihre Mutter mit Fragen über deren Kindheit. Diese gibt aber nur wenig Preis und reist bereits am anderen Tag wieder ab, «um Sachen zu erledigen.». Alleine mit ihrem Vater im Haus zurückgelassen, beginnt Nelly damit den Wald zu erkunden und trifft dort auf ein gleichaltriges Mädchen mit dem Namen Marion (Gabrielle Sanz) …
«Nur so Kinderzeugs» antwortet Nellys Mutter auf eine der Fragen ihrer Tochter, woraufhin Nelly antwortet: «Aber ich bin ein Kind, mich interessiert es.». Nelly kämpft mit dem Verlust ihrer geliebten Grossmutter, der sie nicht mehr «Auf Wiedersehen» sagen konnte, und sucht Kontakt zu ihrer Mutter, die in ihren eigenen Emotionen gefangen scheint.
Als Nelly im Wald schliesslich auf die gleichaltrige Marion trifft eröffnet sich ihr aber eine ganz neue Möglichkeit mit ihrer Mutter auf ihrer eigenen, kindlichen, Ebene Verbindung zu finden. Dabei verzichtet Regisseurin Sciamma, wie schon in «Portrait de la jeune fille en feu» (2019), auf lange Dialoge und lässt stattdessen oft einfach das Schauspiel der Darsteller*innen, die Bilder und Musik sprechen. Umso wichtiger werden damit die beiden jungen Hauptdarstellerinnen, aber die Schwestern Joséphine und Gabrielle Sanz sind der Herausforderung absolut gewachsen.
«Petite Maman» ist ein ruhiger, unaufgeregter Film. Die Erzählung an sich scheint simpel, aber Sciamma hat ein Talent dafür in kleinen, intimen Momenten komplexes zu erzählen. So bringt sie etwa wunderbar hinüber wie Nelly instinktiv spürt, wenn ihre Eltern ihre Dinge vorenthalten, obwohl sie dieses Gefühl noch nicht ganz in Worte fassen kann. Überhaupt setzt Sciamma ganz auf Nellys Perspektive und kreiert damit einen wunderbaren, feinen Film über ein Mädchen, das auf ihre ganz eigene Art ein einschneidendes Erlebnis in ihrem Leben verarbeitet.
Fazit
«Petite Maman» ist ein wunderbarer, ruhiger, berührender Film über Trauer und die innere Stärke der kindlichen Vorstellungskraft.
4/5 Sterne
Deutschschweizer Kinostart: 04.11. 2021
Petite Mama (2021), Regie: Céline Sciamma, Frankreich.
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